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TAZ| Ist es gerecht, dass die einen Heimat haben und die anderen nicht?
Weil gesunder Patriotismus und Liebe zur Heimat wichtig sind.“ So heißt es im siebten Punkt des von der CSU publizierten Grundsatzpapiers. Und weiter: „Wir können stolz sein auf das, was Deutschland in den letzten 70 Jahren erreicht hat. Die Werte und Prägung unserer Heimat sorgen für Identität und Zusammenhalt. Nur wer der eigenen Sache sicher ist, kann anderen offen und tolerant begegnen. Dagegen müssen wir klarmachen: Wer Kreuze abnehmen, Schweinefleisch verbannen und Martinsumzüge in Lichterfest umbenennen will, ist nicht tolerant, sondern betreibt gefährliche Selbstverleugnung.“
Was aber genau ist Heimat? Jener Ort, an dem Menschen schon immer gelebt haben? Der Ort ihrer Herkunft? Oder doch vielleicht ein Ort der Ankunft? Wie etwa jene westdeutschen Städte, Länder und Gemeinden, in denen nach dem Zweiten Weltkrieg etwa 12 Millionen aus Ostdeutschland Vertriebene eine – ja – „neue“ Heimat fanden? Her-kunft, An- kunft und: Zu-kunft: Auswanderer, etwa die „Pilgrim Fathers“, die im frühen siebzehnten Jahrhundert von England mit der Mayflower nach Nordamerika segelten, suchten einen Ort, an dem sie ihren im Herkunftsland bedrängten Glauben in Freiheit – also in geistiger Heimat – leben konnten.
Im Geiste Martin Bubers und Franz Rosenzweigs …
Seit 1968 verleiht der Deutsche KoordinierungsRat während der Eröffnungsfeier zur Woche der Brüderlichkeit die Buber-Rosenzweig-Medaille. Ausgezeichnet werden Personen, Institutionen oder Initiativen, die sich insbesondere um die Verständigung zwischen Christen und Juden verdient gemacht haben und im wissenschaftlichen, künstlerischen, politischen oder sozialen Bereich einen Beitrag für die christlich-jüdische Zusammenarbeit geleistet haben. Die Medaille wird in Erinnerung an die jüdischen Philosophen Martin Buber und Franz Rosenzweig verliehen.
Die Medaille
Der Name der Medaille
Martin Buber und Franz Rosenzweig haben dem dialogischen Denken starke Anregungen gegeben, die für die moderne jüdische und christliche Theologie richtungweisend sind. Sie waren ebenso Wegbereiter moderner Erwachsenenbildung und Pädagogik.
Wer sind Martin Buber und Franz Rosenzweig?
Martin Buber, geboren am 8. Februar 1878 in Wien, gestorben am 13. Juni 1965 in Jerusalem, studierte in Wien, Leipzig, Berlin und Zürich Philosophie und Kunstgeschichte, war jahrzehntelang einer der geistigen Führer im deutschen Zionismus, gründete den jüdischen Verlag und gemeinsam mit Franz Rosenzweig das jüdische Lehrhaus in Frankfurt, gab die Zeitschrift “Der Jude” (1916-1924) heraus. Bis 1933 war Buber Honorarprofessor an der Frankfurter Universität, seit 1939 Professor für Soziologie an der Universität Jerusalem.
Seine zahlreichen Schriften sind in einer Auswahl letzter Hand in drei Bänden zu den Themen Religionsphilosophie, Chassidismus, Bibel und einem vierten mit dem Titel “Der Jude und sein Judentum” erschienen. Er hat sich darin wiederholt mit dem Problem christlich-jüdischer Begegnung beschäftigt, insbesondere in “Zwei Glaubensweisen”.
Gemeinsam mit dem Katholiken Joseph Wittig und mit Victor von Weizsäcker gab er die Zeitschrift “Die Kreatur” (Berlin 1926ff.) heraus, die den Versuch gemeinsamer Weltverantwortung von Juden und Christen dokumentieren sollte. In den Religionsgesprächen mit christlichen Theologen im Stuttgarter “Freijüdischen Lehrhaus”, besonders in dem letzten dieser Gespräche mit dem Bonner evangelischen Theologen Karl Ludwig Schmidt im Januar 1933, hat er in vorbildlicher Weise die Möglichkeit einer christlich-jüdischen Begegnung ausgeschritten. Gemeinsam mit Franz Rosenzweig übertrug er die Heilige Schrift neu, gewissermaßen als Abschiedsgeschenk des Judentums an die Deutschen.
Franz Rosenzweig, geboren am 25. Dezember 1886 in Kassel, gestorben am 10. Dezember 1929 in Frankfurt am Main, gründete 1919 das Freie Jüdische Lehrhaus in Frankfurt am Main; seit 1922 gelähmt; ein Schüler Hegels (“Hegel und der Staat”, 1926); ursprünglich dem Judentum entfremdet, fand aber, angeregt durch Hermann Cohen, zurück zum Judentum und wurde neben Martin Buber zum bedeutendsten Deuter des Judentums in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts. Bahnbrechend war Rosenzweigs Buch “Der Stern der Erlösung”, bedeutend seine Übersetzung der Gedichte Juda Halevis und der Bibel (letztere gemeinsam mit Martin Buber). Sein Briefwechsel mit Eugen Rosenstock ist einer der wesentlichen Beiträge unserer Zeit zum christlich-jüdischen Gespräch. In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg hat sich insbesondere Professor Karl Thieme für die Erschließung der Werke Rosenzweigs eingesetzt.
Die Preisträger
- 2016 Prof. Dr. Micha Brumlik, Berlin
- 2015 Hanspeter Heinz und der Gesprächskreis “Juden und Christen”
beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken - 2014 György Konrad, Ungarn
- 2013 Mirjam Pressler, München, und das Fritz Bauer Institut, Frankfurt/Main
- 2012 Präses Dr. h.c. Nikolaus Schneider, Düsseldorf
- 2011 Navid Kermani, Köln
- 2010 Daniel Libeskind, New York City
- 2009 Prof. Dr. Erich Zenger, Münster
- 2008 Stef Wertheimer, Tefen/Tel Aviv
- 2007 Esther Schapira, Frankfurt/Main und Dr. Georg M. Hafner, Frankfurt/Main
- 2006 Leon de Winter, Amsterdam und
Gesicht Zeigen! Aktion weltoffenes Deutschland e.V., Berlin - 2005 Prof. Dr. Peter von der Osten-Sacken, Berlin und
das Institut Kirche und Judentum, Berlin - 2004 Daniel Barenboim, Berlin
- 2003 Dr. h.c. Joschka Fischer, Berlin
- 2002 Dr. h.c. Edna Brocke, Essen, Prof. Dr. Rolf Rendtorff, Karben und
Prof. Dr. Johann Baptist Metz, Münster - 2001 Schule Ohne Rassismus
- 2000 Dr. h.c. Johannes Rau, Berlin
- 1999 Erzbischof Henryk Muszynski, Gnesen
- 1998 Lea Rabin, Tel Aviv
- 1997 Hans Koschnick, Bremen
- 1996 Prof. Dr. Franklin Hamlin Littell, Philadelphia und Professor Dr. Joseph Walk, Jerusalem
- 1995 Dr. Richard von Weizsäcker, Berlin
- 1994 Prof. Dr. Jakob Petuchowski, Cincinnati und Prof. Dr. Clemens Thoma, Luzern
- 1993 Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, Berlin
- 1992 Dr. Hildegard Hamm-Brücher, München und Dr. Annemarie Renger, Bonn
- 1991 Leo-Baeck-Erziehungszentrum, Haifa
- 1990 Charlotte Petersen, Dillenburg
- 1989 Sir Yehudi Menuhin, London
- 1988 Arbeitskreis Studium in Israel
- 1987 Siedlung Neve Schalom, Israel
- 1986 Prof. Dr. Heinz Kremers, Duisburg
- 1985 Prof. Dr. Franz Mußner, Passau
- 1984 Siegfried Theodor Arndt, Leipzig und Helmut Eschwege, Dresden
- 1983 Helene Jacobs, Berlin
- 1982 Schalom Ben-Chorin, Jerusalem
- 1981 Isaac Bashevis Singer, New York
- 1980 Prof. Dr. Eugen Kogon, Königstein und Dr. Gertrud Luckner, Freiburg
- 1979 Manès Sperber, Paris und Dr. James Parkes, Southampton
- 1978 Dr. Grete Schaeder, Göttingen und Professor Dr. Albrecht D. Goes, Stuttgart
- 1977 Friedrich Dürrenmatt, Neuchàtel
- 1976 Dr. Ernst-Ludwig Ehrlich, Basel
- 1975 Archbishop G. Appleton, Jerusalem/Wantage und Abt Laurentius Klein, Jerusalem
- 1974 Dr. H. G. Adler, London
- 1973 Professor Dr. Helmut Gollwitzer, Berlin
- 1972 Msgr. Dr. A. C. Ramselaar, Utrecht
- 1971 Bischof D. Kurt Scharf, Berlin
- 1970 Dr. Dr. Eva Reichmann, London und Rabbiner Prof. Dr. R. R. Geis, Düsseldorf
- 1969 Prof. Dr. Ernst Simon, Jerusalem
- 1968 Prof. Dr. Friedrich Heer, Wien und Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm Marquardt, Berlin
Quelle:
Deutscher Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR)
Prof. Dr. Michael Brumlik: National bewußte Mediävistik und bewußtes Judentum: Ernst Kantorowicz
Ernst Kantorowicz, deutsch-national gesonnen, orientierte sich an Stefan George und gilt bis heute als bahnbrechender Mediävist. Seine Jugend als Mitglied eines rechtsgerichteten Freikorps, sein selbstbewußter Abschied aus dem nationalsozialistischen Deutschland sowie sein späteres Wirken in den USA zeigen deutsches Judentum in all seinen Widersprüchen.
Vortrag von Prof. Dr. Michael Brumlik am 17. November 2014 im Rahmen der Ringvorlesung “Die Goethe-Universität in der NS-Zeit” in Frankfurt (Main).
Jüdische Allgemeine| Gerüchte über die Brit Mila
Beschneidungsgegner sammeln sich in einem Band zum Nachhutgefecht
von Micha Brumlik

© Flash 90
Der vom Deutschen Bundestag vor etwas mehr als einem Jahr neu beschlossene Paragraf 1631d des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der die medizinisch nicht notwendige Beschneidung kleiner Jungen unter sechs Monaten straffrei dem Elternrecht unterstellt, hat den bedrohten Rechtsfrieden in Deutschland wiederhergestellt. Seither ist es orthodoxen jüdischen Familien, die ihre Kinder in Deutschland auf die Welt bringen wollen, möglich, ihren Glauben angstfrei zu leben, ohne Deutschland für immer verlassen oder zum Zweck des Eingriffs ins Ausland reisen zu müssen.
Gegen diese demokratisch getroffene religionspolitische Entscheidung argumentiert ein von dem Düsseldorfer Psychosomatiker Matthias Franz publizierter Sammelband unter dem tendenziösen Titel Die Beschneidung von Jungen. Ein trauriges Vermächtnis, an dem sich 15 Autoren, darunter zwei Frauen und ein jüdischer Mann, beteiligt haben. Die Beiträge widmen sich dem Thema auf unterschiedlichem Niveau aus kulturgeschichtlicher, urologischer, psychoanalytischer sowie juristischer Perspektive.
Strategisch geht es allen Beiträgen darum, eine künftige Aufhebung des Paragrafen 1631d zu befürworten – im Wissen darum, dass das juristisch schwer möglich sein wird. Zur Begründung dieser Aufkündigung des Rechtsfriedens bemühen die Autoren den empirisch kaum zu erbringenden Nachweis, dass die Beschneidung langfristig das sexuelle Empfinden von Männern beeinträchtigende Folgen habe, sowie grundrechtsdogmatische Argumente, die sich auf die UN-Kinderrechtskonvention und auf Artikel 1 des Grundgesetzes berufen.
FALLGESCHICHTEN Zum Nachweis der Schädlichkeit der Beschneidung schildert etwa der Psychoanalytiker Matthias Franz eine Reihe durchaus lesenswerter Fallgeschichten von meist muslimischen Männern, die mitteilen, durch ihre Beschneidung psychisch geschädigt worden zu sein. Dass diese Fallgeschichten keine grundsätzliche, evidenzbasierte Stellungnahme gegen die (jüdische) Beschneidung erlauben, weiß der Autor selbst, muss er doch einräumen: »Die dargestellten Zusammenhänge sind in Teilen spekulativ, sie lassen sich aber im Sinne kasuistischer Evidenz belegen.«
Lässt sich wirklich in allen Fällen belegen, dass die nachträglich so gedeutete, angeblich traumatisch wirkende Beschneidung tatsächlich die monokausale Ursache der psychischen Störung war? Wie geradezu abenteuerlich spekulativ weitere Autoren des Sammelbandes vorgehen, wird etwa am Text des verstorbenen niederländischen Psychoanalytikers Adrian de Klerk deutlich. Behauptet er doch allen Ernstes, dass Sigmund Freud seinen jüdischen Namen Schlomo »aus unbewusstem Protest gegen das schmerzhafte Ritual der Brit Mila, bei dem er den Namen erhielt, entfernte«.